Über uns

Das Institut für Soziologie an der Goethe-Universität Frankfurt zählt weltweit zu den bedeutendsten Soziologie-Instituten und ist darüber hinaus die zweitgrößte universitäre soziologische Forschungseinrichtung und Ausbildungsstätte in Deutschland.

Die Frankfurter Soziologie wurde 1919 gegründet und ist seit den 1920er Jahren weltweit durch die „Frankfurter Schule“ bekannt. Sie war Mittelpunkt der 1968er Revolution und baut heute auf ihre starke Tradition und ihren internationalen Standort auf und erfindet sich dabei für das 21. Jahrhundert neu.

Mehr als 20 Professorinnen und Professoren und über 60 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kooperieren in sieben wissenschaftliche Abteilungen. Zu den Schwerpunkten gehören soziologische Theorie, Methoden der empirischen Sozialforschung, Sozialstruktur, soziale Ungleichheit, Sozialpolitik, Bildung, Mikrosoziologie, Sozialpsychologie, Kultur, Geschlechterforschung, Migration, Diversität, Wirtschaft, Arbeit, Organisation, Wissen, Technik und Umwelt.

Das Institut für Soziologie ist universitätsintern und -extern eng vernetzt. Das Institut arbeitet eng mit dem Institut für Politikwissenschaft, dem Institut für Humangeographie am FB Geowissenschaften, dem Sigmund-Freud-Institut, dem Institut für Sozialforschung, dem Cornelia-Goethe-Centrum für Frauen- und Geschlechterstudien, dem Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK), dem Center for Leadership and Behavior in Organizations (CLBO), dem Center for Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk (IDeA) sowie dem ISOE (Institut fuer Sozial-oekologische Forschung Frankfurt am Main) zusammen.

Das Studium der Soziologie an der Universität Frankfurt ist geleitet von der Idee, sozialwissenschaftliches Denken und Forschen in seiner Breite sowohl anhand theoretischer Überlegungen als auch empirischer Untersuchungen zu vermitteln. Studierende der Soziologie in Frankfurt sollen befähigt werden, komplexe gesellschaftliche Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln verstehen, analysieren und erklären zu können.

Unsere Professor*innen stellen sich vor

Die Geschichte der Frankfurter Soziologie

Obwohl die Goethe-Universität Frankfurt erst im Oktober 1914 offiziell ihren Lehrbetrieb aufnahm, war Frankfurt am Main bereits im neunzehnten Jahrhundert Schauplatz einer Vielzahl von sozialwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen und Forschungstätigkeiten. In den Jahren 1879 bis 1890 war diese Stadt zum Beispiel ständiger Tagungsort des traditionsreichen Vereins für Socialpolitik. Ferner wurden zu dieser Zeit im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Sektion des Freien Deutschen Hochschulstifts zahlreiche Enquêten durchgeführt, um die Lebensverhältnisse der Arbeiterinnen und Arbeiter in Frankfurt zu erforschen und sozialstatistisch auszuwerten.

1890 gründete der Frankfurter Industrielle Wilhelm Merton das dortige Institut für Gemeinwohl. Dieses Institut war nicht nur eine Dachorganisation, um die Arbeit verschiedener Sozialfürsorgeeinrichtungen in Frankfurt wissenschaftlich fundiert zu koordinieren, sondern auch eine wichtige Karrierestation für junge Wissenschaftler wie Leopold von Wiese, Othmar Spann und Philipp Stein, die später in der deutschsprachigen Soziologie eine wichtige Rolle spielten. 1901 erfolgte die aus dem Institut für Gemeinwohl hervorgehende Gründung der Frankfurter Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, die Ausgangspunkt der 1914 gegründeten Frankfurter Goethe-Universität darstellte und dort als „Fünfte Fakultät“ Eingang fand.

Nicht zufällig fand der erste Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie bereits vier Jahre vor der Gründung der Universität Frankfurt im Oktober 1910 in dieser wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Ausbildung- und Forschungsstätte statt. Als Redner und Diskutanten wirkten an diesem Kongress unter anderem so berühmte Soziologen und Gelehrte wie Georg Simmel, Ferdinand Tönnies, Max Weber, Werner Sombart, Hermann Kantorowicz und Robert Michels mit. Als eine Besonderheit kann gelten, dass mit der Frankfurter SPD-Kommunalpolitikerin, Publizistin und Frauenrechtlerin Henriette Fürth, die ebenfalls an diesem Gründungskongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie teilnahm, erstmals auch eine Frau aktiv bei der Institutionalisierung der soziologischen Forschung und Lehre im deutschen Sprachraum beteiligt war. Wilhelm Merton war es auch, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ersten Deutschen Soziologentages am Eröffnungstag im Anschluss an Georg Simmels Vortrag über die »Soziologie der Geselligkeit« zu einem geselligen Zusammensein in die Räume der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften einlud.

Frankfurter Soziologie in der Weimarer Republik

Auch in der Folgezeit konnte die Stadt Frankfurt mit der im Oktober 1914 erfolgten Eröffnung des Lehrbetriebes an der Goethe-Universität erneut ihre Stellung als einer der bedeutendsten sozialwissenschaftlichen Forschungs- und Lehrstandorte im deutschen Sprachraum behaupten. Ein ausgesprochenes Novum innerhalb der damaligen deutschen Universitätslandschaft war es, dass diese Universität bereits seit ihrer Gründung erstmals auch über eine Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät verfügte, die für die Institutionalisierung der Soziologie in Frankfurt schon bald eine zentrale Rolle spielen sollte. Immerhin war bereits 1914 geplant, an dieser Fakultät auch eine ordentliche Professur für Soziologie einzurichten, was der Ausbruch des Ersten Weltkrieges jedoch zunächst verhinderte.

Nach dem Krieg wurde 1919 an der Goethe-Universität der von dem Frankfurter Konsul Karl Kotzenberg gestiftete erste deutsche Lehrstuhl für Soziologie eingerichtet, den der liberale Sozialist und Vordenker des »Rheinischen Kapitalismus« Franz Oppenheimer bis 1929 wahrnahm und dem kein Geringerer als Karl Mannheim folgte, der von der Universität Heidelberg kam. Mit Max Horkheimer, der nach dem Ausscheiden des Austro-Marxist Carl Grünberg 1930 die Leitung des 1924 gegründeten und sich einer Stiftung von Hermann und Felix Weil verdankenden Instituts für Sozialforschung übernahm und der seit 1930 an der Philosophischen Fakultät der Universität Frankfurt einen sozialphilosophischen Stiftungslehrstuhl innehatte, sowie Karl Mannheim waren Repräsentanten einer sich bereits damals formierenden einzigartigen akademischen Streitkultur in Frankfurt tätig, die auch nach dem Zweiten Weltkrieg die in der Soziologie geführten intellektuellen Debatten Jahrzehnte lang prägen sollte. Ferner trug in den 1920er Jahren auch der Philosoph, Soziologe und Journalist Siegfried Kracauer als Redakteur der Frankfurter Zeitung dazu bei, dass die Main-Metropole ihren Anspruch als führenden Ort der Weimarer Soziologie öffentlichwirksam geltend machen konnte. Im Zeitraum von 1930 bis 1933 wirkte ferner Norbert Elias als Assistent von Karl Mannheim an der Universität Frankfurt in der soziologischen Forschung und Lehre mit und wurde seit 1976 im Rahmen eines Wiedergutmachungsabkommens bis zu seinem Tod im Vorlesungsverzeichnis der Goethe-Universität als emeritierter Professor für Soziologie des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften aufgeführt.

»Reeducation«: US-Amerikaner förderten die Soziologie in Frankfurt

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand 1946 auf Betreiben der amerikanischen Besatzungsmacht der erste Soziologiekongress im Nachkriegsdeutschland wiederum in Frankfurt am Main statt. Auch die Rückkehr von Max Horkheimer, Theodor W. Adorno sowie des Instituts für Sozialforschung aus dem US-amerikanischen Exil verdankt sich maßgeblichen Bestrebungen der Besatzungsmächte, in der Westzone im Rahmen der »Reeducation« neben der Politikwissenschaft auch die Soziologie für den Aufbau eines stabilen demokratischen Gemeinwesens dauerhaft an den westdeutschen Hochschulen zu etablieren.

Bereits seit dem Wintersemester 1949/50 lehrten die Philosophen und Soziologen Horkheimer und Adorno wieder an der Philosophischen Fakultät der Goethe-Universität. Sie waren es, die fortan die „Frankfurter Schule der Soziologie“ prägen sollten. Horkheimer und Adorno ist es auch zu verdanken, dass bereits 1954 der erste Diplomstudiengang für Soziologie im deutschen Sprachraum an der Philosophischen Fakultät der Universität Frankfurt eingerichtet worden ist. Das dieser Fakultät bereits 1930 zugeordnete Institut für Sozialforschung spielte nach dessen Rückkehr aus dem Exil unter der Leitung von Horkheimer und Adorno bis zum Ausbruch der Studentenbewegung von 1968 eine zentrale Rolle bei der Institutionalisierung der soziologischen Forschung und Lehre in Westdeutschland.

Seit Beginn der 1960er Jahre fand die Soziologie auch an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät durch die Gründung entsprechender Lehrstühle erneut eine Heimstätte, an der neben Walter Rüegg auch Friedrich H. Tenbruck, Thomas Luckmann und Wolfgang Zapf als Professoren tätig waren. 1964 wurde der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas als Nachfolger von Max Horkheimer auf dessen Doppellehrstuhl für Philosophie und Soziologie an die Philosophische Fakultät der Universität Frankfurt berufen. Habermas gehörte im Unterschied zu Horkheimer und Adorno seit seiner Berufung nach Frankfurt nicht mehr dem Institut für Sozialforschung an. 1966 wurde ferner Ludwig von Friedeburg auf eine Professur an der Frankfurter Philosophischen Fakultät berufen, die auschließlich der Soziologie gewidmet war. Insofern spielten diese beiden Fakultäten bis zu der 1971 erfolgten Gründung der Fachbereiche eine zentrale Rolle innerhalb der soziologischen Forschung und Lehre in Frankfurt. Friedeburgs Lehrstuhl wurde 1971 dem neu gegründeten Fachbereich Gesellschaftswissenschaften zugeordnet. Nach seiner Tätigkeit als Hessischer Kultusminister war Ludwig von Friedeburg bis 2001 amtierender Direktor des Instituts für Sozialforschung und bis zu seinem Tod Honorarprofessor am Frankfurter Fachbereich Gesellschaftswissen-schaften. Von 2001 bis 2019 nahm der Frankfurter Sozialphilosoph Axel Honneth die Leitung dieses Institutes wahr.

Die Frankfurter Soziologie seit 1968

Bereits den Frankfurter Soziologentagen von 1968 und 1990 kam ein erheblicher Stellenwert bei der sozialwissenschaftlichen Erforschung von zeitgeschichtlich bedingten Verwerfungen innerhalb der deutschen Gegenwartsgesellschaft zu. Der Soziologentag von 1968 stand bezeichnenderweise unter dem Motto »Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?« und löste eine Kontroverse aus, welche die fachinternen Debatten in der »alten« BRD nachhaltig geprägt hatte. Anläßlich des Falls der Berliner Mauer und des hiermit in Gang gesetzten deutschen Einigungsprozesses stand der Soziologiekongress von 1990 dagegen vor der Frage, wie die in der DDR unter »marxistisch-leninistischen« Vorzeichen betriebene soziologische Forschung und Lehre mit ihren diversen Institutionen sowie deren Repräsentanten in das westdeutsche Modell einbezogen werden könnten.

100 Jahre nach seiner Premiere fand im Oktober 2010 erneut der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Frankfurt am Main statt. Damit unterstrich die Deutsche Gesellschaft für Soziologie zum fünften Mal die Bedeutung, welche der Goethe-Universität für die zeitgenössische Soziologie zukommt. Neben dem im Frühjahr 2013 am Frankfurter Fachbereich Gesellschaftswissenschaften gegründeten neuen Institut für Soziologie bestimmt ferner nach wie vor das Institut für Sozialforschung das gegenwärtige Erscheinungsbild der Frankfurter Soziologie. Auch die erste deutsche Professur für Frauen- und Geschlechterforschung wurde 1987 im Frankfurter Fachbereich Gesellschaftswissenschaften eingerichtet und bis 2004 von Ute Gerhard wahrgenommen. Diese Professur ist heute ebenfalls dem neu gegründeten Frankfurter Institut für Soziologie zugeordnet. Ferner spielt auch das Cornelia Goethe Centrum eine zentrale Rolle innerhalb der gegenwärtigen sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung in Frankfurt.

Literatur: Felicia Herrschaft / Klaus Lichtblau (Hrsg.), Soziologie in Frankfurt. Eine Zwischenbilanz, Wiesbaden 2010

Literatur zu Franz Oppenheimer

 

Pressestimmen zum Jubiläum